
Ca. 7,7 Milliarden Menschen leben derzeit auf unserem Planeten, während 1950 nur 2,5 Milliarden die Erde bevölkerten. Mehr Menschen bedeuten einen höheren Bedarf an Lebensmitteln. Doch wie können wir den Ertrag in der Landwirtschaft weiter steigern? Können wir Ressourcen schonen und trotzdem mehr produzieren?
Was viele nicht wissen: Besonders die moderne Agrar- und Viehwirtschaft ermöglicht Einsparungen an Ressourcen wie Saatgut, Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmitteln und trägt auch zum Wohlbefinden von Tieren bei. Das Stichwort: Smart Farming oder auch Landwirtschaft 4.0. Dahinter verbirgt sich modernste Technik, maßgeschneidert auf die Bedürfnisse von Tier und Pflanze.
Vorbei sind die Zeiten von „viel hilft viel“. Weniger Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel – davon profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch der Landwirt. Der kann sich gleich doppelt freuen. Denn das Gute an Smart Farming: Trotz geringerem Betriebsmittelverbrauch kann der Ertrag pro Hektar deutlich gesteigert werden.
Wie ist das möglich? Was verbirgt sich hinter dem Zauberwort „Smart Farming“? Smart Farming ist eine „intelligente Landwirtschaft“, die Daten, beispielsweise über den Nährstoffgehalt des Bodens oder das Pflanzenwachstum, digital erfasst und miteinander verknüpft. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz identifiziert Smart Farming Handlungsempfehlungen, die der Landwirt oder die Maschine entsprechend ausführt.
Smart Farming
Smart Farming kann hierbei als Teil einer ganzen Bewegung gesehen werden. Als Teil einer großen, vielleicht sogar der größten Entwicklung der heutigen Zeit. Eine Entwicklung, die unser Leben schon jetzt, besonders aber in der Zukunft beeinflussen wird: Dabei geht es um Smart Data bzw. Smart Services.
Smart Data
Egal in welchen Lebensbereich wir schauen, ob in der Medizin, Landwirtschaft, in der Logistik oder der Energiewirtschaft, überall werden sogenannte Smart Data, also digitale Informationen erfasst und miteinander verknüpft. Mit der Verknüpfung der Daten können intelligente Dienste bzw. Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, auch Smart Services genannt. Der Großteil der Menschen benutzt tagtäglich Smart Services, sei es beim Tracking von Paketen oder einer Carsharing-App.
Smart Services in der Landwirtschaft: Smart Farming
In der Landwirtschaft werden Smart Services in unzähligen Bereichen eingesetzt und man kann davon ausgehen, dass dies in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird. Am weitesten verbreitet sind selbstfahrende Traktoren. Sie sind mit automatischen Lenksystemen ausgestattet, die mit Hilfe von Satellitenortung einen Schlepper bis auf zwei Zentimeter genau lenken können. Unser Artikel „Auf ganzer Linie“ zeigt, wie es geht.
Dabei gilt: Je umfangreicher die zur Verfügung gestellten Daten sind, desto präziser kann der Landwirt arbeiten. Und nicht nur das, die Fernerkundungsdaten von Satelliten dienen als Rohmaterial, um sogenannte „Talking Fields Karten“ zu erstellen. Mit diesen „sprechenden Karten“ lässt sich der Biomasseaufwuchs der letzten Jahre und sogar Jahrzehnte abbilden. Eine wichtige Information. Denn wenn an manchen Stellen des Feldes die Pflanzen seit Jahren eher spärlich wachsen, während sie an anderen Ecken prächtig gedeihen, kann der Landwirt daraus Schlüsse aus der Bodenbeschaffenheit und der Heterogenität des Feldes ziehen und auf diese Unterschiede entsprechend reagieren.
Unsere Artikel „Sprechende Felder“ und „Grenzen erkennen“ greifen diesen sehr interessanten Aspekt bei Smart Farming nochmals detaillert auf.
Die Definition von Precision Farming
Auf Basis der „Talking Fields Karten“ ist eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung oder auch „precision farming“ also Präzisionslandwirtschaft möglich. Sensoren am Traktor liefern weitere Informationen zum Zustand des Pflanzenbestandes. Leidet die Pflanze unter Trockenheit? Wie ist die aktuelle Nährstoffversorgung? Hat die Pflanze irgendwelche Krankheiten oder Schädlinge?
Die ermittelten Daten werden auf einer digitalen Karte bzw. einem Chip gespeichert, die der Landwirt dann an seinen Computer anschließen kann. Zukünftig bzw. zum Teil auch heute schon werden solche Daten allerdings eher drahtlos übertragen, zum Beispiel durch ein Smartphone oder ein lokales WLAN. Je umfangreicher die von den Sensoren ermittelten Informationen sind, desto sinnvoller ist eine drahtlose Übertragung. Eine gute digitale Infrastruktur, also ein schnelles, flächendeckendes Internet ist hierbei die Voraussetzung. So können die Daten schnell und problemlos an ein landwirtschaftliches Analysesystem in Form einer Cloud geliefert und dort verarbeitet werden. Nötig sind Algorithmen, die aus den Informationen Empfehlungen errechnen: In diesem Bereich ist der Boden zu trocken. Damit die Pflanze optimal gedeihen kann, braucht sie x Liter Wasser. Die berechneten Handlungsempfehlungen werden auf einer „Application Map“ (dt.: Applikationskarte) festgehalten und an den Traktor oder ein Bewässerungssystem gesendet. So können Sämaschinen, Düngerstreuer, Pflanzenschutzspritzen und Bewässerungssysteme automatisch ein- und ausgeschaltet werden und so präzise den Bedürfnissen entsprechend das Feldstück bearbeiten. Durch den ortsspezifischen variablen Einsatz kann weniger Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmittel und Wasser ausgebracht werden. Nur da wo es sinnvoll und nötig ist – so geht nachhaltige Landwirtschaft!
Im Übrigen: Der Einsatz von GPS-Technik ist ein weiterer Teilaspekt der digitalisierten Landwirtschaft. Lesen Sie hier, worum es dabei geht.
Hier erklären wir weitere Begriffe zum Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Der Einsatz von Drohnen und Robotern
Der Traktor ist in der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Ist das so? Nicht unbedingt! Beim „precision farming“ gibt es schon Alternativen die den Traktor in einigen Bereichen ersetzen können. So bringen kompakte Roboter von der Größe eines Staubsaugers rund um die Uhr im Schwarm Saatgut aus. Genau wie bei allen anderen Smart Farming-Anwendungen funktioniert das über Satellitennavigation und Datenmanagement in der Cloud. Ebenfalls Teil der Systeme des Precision Farming sind Drohnen, die beispielsweise Pflanzenwachstum, Bodenfeuchte und Nährstoffbedarf überwachen und dann Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausbringen.
Vorteile von Smart Farming auch in der Viehwirtschaft
Auch in der Viehwirtschaft ist die digitale Welt nicht mehr wegzudenken und in zahlreichen Bereichen erfolgreich im Einsatz. Am weitesten verbreitet sind Melk-Roboter bei Milchkühen. Auf Basis von Laser, Ultraschall und Kamerasensoren schließt sich ein Melkgeschirr am Euter der Kuh an. Ein Sensor erkennt, wann der Milchfluss nachlässt und gibt dem Geschirr das Signal sich wieder vom Euter zu lösen. Im Schnitt erhöhen Melkroboter die Milchmenge um sieben Prozent. Sie stimulieren die Zitzen bei der Vorreinigung und können dadurch den Melkfluss erhöhen. Außerdem steigert ein Melkroboter auch die Melkeinheiten auf bis zu vier Melkungen pro Tag und Tier. Ca. 3 Kilogramm Milch pro Minute können moderne Anlagen so melken. Die Digitalisierung hat zudem auch einen positiven Effekt auf das Tierwohl: Sensoren, die am Ohr oder Halsband des Tieres angebracht werden, messen eine Vielzahl von Daten, die am Computer oder Smartphone ausgewertet, wertvolle Informationen über das Tier enthalten: von täglichen Angaben zu Gewicht, Fress- und Bewegungsverhalten bis hin zum schnellen Erkennen von Krankheit, Brunst, Geburten oder problematischen Situationen. Durch ein schnelles Erkennen von Krankheiten lässt sich beispielsweise die Vergabe von Antibiotika erfolgreich reduzieren. Auch die sensorgestützte Einstellung von Helligkeit und Klima trägt erheblich zum Wohlbefinden der Tiere bei. Ebenso wie die Reinigung der Ställe per Roboter, welche die Kühe weder beim Fressen noch beim Schlafen stören.
Vorteile für den Verbraucher dank hoher Transparenz
Zu guter Letzt: Smart Farming hat nicht nur Vorteile für Tier- und Pflanzenwelt, auch der Verbraucher profitiert davon. Die Digitalisierung macht nicht auf dem Feld oder im Stall halt. Sie zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette – vom Landwirt bis zum Einzelhandel. Der Vorteil: Produktion und Handel von Lebensmitteln werden transparent und für den Verbraucher nachvollziehbar. Möglich macht dies die sogenannte Blockchain Technologie. Aufbauend auf einem Ursprungsblock baut sich eine Blockchain, also eine Datenbank-Kette, chronologisch auf. Jeder Teilnehmer, vom Landwirt angefangen, pflegt seine Informationen ein. Nachdem diese überprüft und bestätigt wurden, hängt der Nächste seine Daten chronologisch hinten dran. Die Beiträge können weder verändert noch gelöscht werden. So entsteht eine Kette mit Informationen, die sowohl fälschungssicher als auch transparent ist. Der Käufer weiß genau, wo der Apfel, den er im Supermarkt kauft, gewachsen ist. Und ob die Karotten wirklich Bio sind.