13.01.2016
Online – ein neues Leben
Afrika kann von der Digitalisierung besonders profitieren. Die Gründe dafür erklärt Kenneth Gbandi, Head of Media Commission Germany bei der African Diaspora a Sixth Region (AUADS) der Afrikanischen Union.
Herr Gbandi, in welcher Beziehung stehen Sie zu Afrika?
Ich bin in Nigeria geboren und aufgewachsen. An der Universität von Calabar habe ich Geografie studiert und danach als Lehrer gearbeitet. Bis 1993, als ich für mein zweites Studium nach Deutschland gekommen bin. Diese Zeit hat mich geprägt, die afrikanische Lebensweise und Kultur gehören zu mir. Dass die Menschen außerhalb Afrikas ein positives Bild meiner Heimat haben, ist mir deshalb ein großes Anliegen.
Wie sieht Ihr Bild von Afrika aus?
Es ist eine junge Gesellschaft – unglaublich attraktiv für Investoren. Die Menschen sind aufgeschlossen, neugierig, bildungshungrig. Wenn sie faire Chancen bekommen, kann sich ein moderner Kontinent entwickeln, der auch seine natürlich immer noch vorhandenen Schattenseiten überwindet.
Online Neues erfahren und lernen, sich in einem Netzwerk austauschen, Bankgeschäfte oder andere Aufgaben mobil erledigen – wie haben das Internet und mobile Dienste die Gesellschaft und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika verändert?
Die digitale Welt hat in Afrika sehr schnell Fuß gefasst. Facebook, Instagram, Whatsapp und all diese Dienste verbreiten sich rasant. Bevor es Internet und Mobiltelefone gab, brauchten in Nigeria Informationen von A nach B oft monatelang. Heute dauert es einen Klick. Wenn in Lagos etwas passiert, weiß es sofort beinahe jeder der fast 190 Millionen Einwohner. Online zu sein, das bedeutet für viele Menschen in Afrika mehr Lebensqualität. Der Zugang zu Wissen, zu Bildung steht damit offen, die Wirtschaft profitiert. Mit der Digitalisierung sind sehr große Chancen für Afrika verbunden.
Aber Smartphones brauchen Funknetze und Strom. Wie steht es damit?
Das ist noch ein Problem. Es gibt Orte ohne Empfang, speziell auf dem Land ist die Situation noch nicht so gut. Die Investoren fragen sich: Warum soll ich ein Netz für ein Dorf bauen? Was bringt mir das? Mit der wachsenden Zahl der Mobilfunkanbieter in Afrika entwickelt sich nun Wettbewerb. Dadurch verbessert sich der Service, und davon profitieren die Kunden. Viele Leute in Nigeria haben zum Beispiel zwei oder drei Handys, um die Netze verschiedener Anbieter nutzen zu können. Oder zwei bis drei SIM-Karten im Handy. Sie wissen, in welchen Orten oder Gegenden es welches Netz gibt. Das Problem mit dem Aufladen der Smartphones lösen die Solarladestationen, die es inzwischen fast in jedem Dorf gibt. Dort setzt man sich für eine Weile zum Teetrinken hin und wartet, bis der Akku wieder voll ist. In manchen Dörfern gibt es auch Stromgeneratoren zum Aufladen.
Schätzungen gehen davon aus, dass Afrika 2017 im mobilen Payment einen Umsatz von etwa 188 Milliarden US-Dollar erreicht, Europa kommt nur etwa auf 99,4. Warum setzt sich diese Bezahlmethode in Afrika so rasant durch?
Viele Menschen in Afrika, besonders auf dem Land, trauen den Banken nicht. Geldtransfers übers Handy sind der einfachere Weg. Das Smartphone hat jeder 24 Stunden bei sich, warum nicht dann auch gleich alle Bankgeschäfte damit erledigen? Das spart auch Wege und Zeit. Und wer die afrikanische Infrastruktur kennt, kann sich vorstellen, was das bedeutet. Und noch ein Punkt: Bei jungen Leuten gilt es als cool, alles mit dem Handy zu bezahlen und zu erledigen. Das beschleunigt diese Entwicklung enorm. Im Moment ist Kenia in Afrika führend im mobilen Payment.
Es gibt auch mobile Dienste für den landwirtschaftlichen Bereich wie Wettervorhersagen oder Ratschläge zur Tierhaltung. Hilft das den Menschen vor Ort?
Natürlich. Aber noch sind diese Dienste nicht weit verbreitet. In Südafrika ja, dort sind neue Arbeitsmodelle und die dafür nötige Technik in der Landwirtschaft schon angekommen. Aber generell ist die Landwirtschaft in Afrika meist noch Sache der älteren Generation. Für junge Leute war es lukrativer, in die Städte zu gehen. Dieser Trend kehrt sich gerade um. Aber die Menschen müssen zuerst einmal regeln, woher sie Kredite für nötige Investitionen bekommen. Sie prüfen die politische Lage und die damit verbundenen Voraussetzungen. Die moderne Technik bietet in der Landwirtschaft große Chancen für junge Leute, und mit ihnen werden sich auch in diesem Bereich mobile Dienste schnell ausbreiten.
Was können Europäer von Afrika lernen?
Dass Vielfalt etwas Positives ist. Die Anpassungsfähigkeit und den Optimismus der Menschen in Afrika: Ganz gleich, wie groß das Problem ist – wir schaffen das.
Und umgekehrt?
Da kann ich nur für Deutschland sprechen, das ich gut kenne. Von diesem Land können Afrikaner viel lernen: strukturiert an Dinge herangehen. Nicht ein Projekt anfangen und dann nicht durchziehen, weil schon eine neue Idee lockt. Dranbleiben und die Sache zu Ende bringen – das ist wichtig. Und natürlich die deutsche Pünktlichkeit. Die schätze ich immer ganz besonders, wenn ich mal wieder in Nigeria bin.
Zum Schluss: Worin liegt Ihrer Meinung nach das größte Potenzial Afrikas?
Afrika ist der Markt der Zukunft. Wenn in Bildung und Ausbildung investiert wird, finden Arbeitgeber in Afrika hoch motivierte junge Arbeitskräfte. Wenn die Menschen gut bezahlte Jobs haben, können sie mit ihrem Geld Dinge kaufen und die Wirtschaft ankurbeln. Das ist eine klassische Win-Win-Situation – und eine schöne Perspektive.